Wenn ein Zustand von Trauer, Energieverlust, Antriebs- und Freudlosigkeit über längere Zeit andauert, sollte medizinische Hilfe in Anspruch genommen werden. Oberarzt Christian Imboden von der Psychiatrischen Klinik stellte den Grauen Panthern Symptome, Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten vor.
VON GUNDI KLEMM
Es ist ja nicht so, dass die Angehörigen der Grauen Panther und ihre Gäste, die den Saal im Volkshaus bis zum letzten verfügbaren Sitz füllten, kaum Ahnung von der Volkskrankheit Depression hätten. Ganz im Gegenteil, denn dazu tritt diese seelische Erkrankung in unterschiedlichster Ausprägung zu häufig auf. Jede sechste Person leidet irgendwann in ihrem Leben an Symptomen einer Depression. Diese äussert sich in vielfältigen Störungen im psychischen Bereich. «Wenn man sich morgens schon nicht aufraffen kann, wenn man sich selbst mit Grübeln quält, nachts nicht schlafen kann und an nichts mehr Freude hat, sollte ein Arzt aufgesucht werden», riet Mediziner Christian Imboden, der als Oberarzt der Abteilung Angst und Depression an der hiesigen Psychiatrischen Klinik tätig ist. In ihren Ursachen bezüglich biologischem, psychologischem und sozialen Anteil sei die Depression sehr intensiv erforscht, so Imboden. Zu nennen ist eine genetische Belastung, Schilddrüsenprobleme, die offenbar chemische Vorgänge im Gehirn beeinflussen können, Medikamente und lang anhaltende Schlafstörungen, die das Erkrankungsrisiko erhöhen und auch zu körperlichen Symptomen führen.
Was die einen aus der Bahn wirft
Psychologisch betrachtet sind nicht alle Menschen gleichermassen stressresistent: was den einen nicht aus der Bahn wirft, erschüttert den anderen bis ins Mark wie etwa Verlusterlebnisse, Mobbing, fehlende Anerkennung, Isolation, aber auch Migration oder Haft als soziale Gründe. Traumatisierungen durch Gewalt und sexuelle Übergriffe können depressive Reaktionen genauso begünstigen wie Bindungsstörungen in der Kindheit. Generell erkranken Frauen drei Mal häufiger als Männer, bei denen indes die Suizidrate höher ist. Übrigens: Depressionen im Alter sind nicht häufiger als in den übrigen Lebensabschnitten, nur die Risikofaktoren wie etwa Trauer über den Tod von Angehörigen nehmen zu.
Behandlung hilft
Festgestellt ist, dass gewisse Neurotransmitter wie Serotonin, die für die nervliche Signalübertragung im Hirn zuständig sind, bei depressiven Menschen gering sind. Die Medizin kann diesen Mangel durch die Gabe von Antidepressiva ausgleichen. In leichten Fällen genügt laut Referent schon Psychotherapie. Leider sei diese Krankheit deutlich «unterdiagnostiziert». Hier wäre eine soziale Entstigmatisierung hilfreich, denn immerhin jeder sechste Erkrankte hat sich bereits mit Selbstmordgedanken beschäftigt. Ein wichtiges Rezept, um im Alter die mentale Balance zu halten, bestehe in regelmässiger Bewegung. Schon eine halbe Stunde tägliches Spazierengehen und zwei Mal wöchentlich ein angepasstes Beweglichkeits- und Krafttraining brächten nachweisbare Effekte in Körper und Seele. Sportler kennen bekanntlich das Glückshormon, das als Folge des Trainings wie ein Stimmungsaufheller wirkt.
Im Anschluss vertiefte Julia Linder, Fachfrau bei Pro Senectute, die Ratschläge mit eingestreuten praktischen Beispielen, um bis hoffentlich ins hohe Alter dank regelmässigem Training leistungsfähig zu bleiben. Ab 70 Jahren nämlich nimmt die Kraft pro Jahrzehnt um 30 Prozent ab. Abschliessend warb sie für die eintägige Ausbildung zum «Bewegungscoach», die von Senioren absolviert werden kann, um Gleichaltrige fit zu halten.
© Solothurner Zeitung | Ausgabe vom 2. Febr. 2012