Vereinfache dein Leben durch Ordnung

Graue Panther Solothurn, Vortrag von Ordnungsprofi, Autor und Coach Selim Tolga

Von Gundi Klemm Solothurner Zeitung September 2017

Wer Bilder von Messie-Wohnungen gesehen hat, wo alles gesammelt, aufbewahrt und planlos chaotisch übereinander gestapelt liegt, der ruft gerne nach einem Ordnungsprofi wie Selim Tolga. Aber sich vom Zuviel an Dingen zu trennen, die durchs Leben begleitet und irgendwann mal Freude bereitet haben, ist eben doch ein hartes Stück konsequenter Arbeit. Selim Tolga, der es mit Ordnungsprinzipien von Kindesbeinen an sehr genau nahm und heute einen professionellen und zertifizierten Aufräum-Service mit theoretischer Unterstützung anbietet, weiss, wie persönlich belastend auf die Dauer ein Durcheinander in Haushalt und Schränken, in der Büroorganisation oder im Computer wirkt. Mit der Feststellung: „Wir müssen uns von überflüssigen Dingen trennen, um für das Wesentliche in unserem Leben mehr Zeit zu haben“, fand er bei seiner weit über 80 Personen grossen Zuhörerschaft durchaus Verständnis. Sie alle wollten wissen, wie man gute Vorsätze umsetzt in den Kraftakt, der von Ballast befreit. Den Trend, der über Deutschland aus den USA mit dem Buchtitel „Simplify your life“(Vereinfache dein Leben) in die Schweiz gekommen ist, hat Tolga auf hiesige Verhältnisse zugeschnitten. Sein Rezept fürs Ordnung-Schaffen besteht in „4 mal M“. Man startet mit der „Mission“, in dem man sich klar wird über persönliche Werte, Wünsche und Ziele. Das zweite M steht für „Minimieren“.  Sein Rezept zur Reduzierung lautet: verteile alles, was du gehortet, ein Jahr nicht mehr in der Hand hattest und dir überflüssig erscheint, in fünf Kartonschachteln, die mit „Behalten/Weggeben/Platzwechsel/Unsicher/Abfall“ bezeichnet sind. Das dritte M bedeutet „Methodisieren“, um Gegenständen, die planlos umherliegen eine neue Ordnung zu geben. Das vierte M heisst „Minimalismus“ und verankert im Bewusstsein, dass man mit wenig zufrieden sein kann und nur das bei sich behält, was wirklich gebraucht wird. Vor allem, so lautete Tolgas Rat, solle man sich innerlich gegen die dauerhafte Verführung durch Angebote wappnen. Ein grosses Problem, das vor allem die ältere Generation kennt, ist das „Loslassen“, sich von Dingen zu trennen, die allesamt mit Biografie und erst recht mit Emotionen verbunden sind. Auch das unterschwellige Gefühl „das könnte ja noch nützlich sein“, ist älteren Menschen besonders vertraut. Jeder weiss natürlich, dass das letzte Hemd keine Taschen hat und man am Lebensende nichts mitnehmen kann. Deshalb die Frage: was würdest du, um dein Leben übersichtlicher und einfacher zu gestalten, im Fall von Gefahr etwa bei Feuer, Erdbeben oder bei Überschwemmung retten?

Mit „Aufräum-Tipps“ gab der Referent seinem Publikum weitere Empfehlungen an die Hand: für alles Wichtige in der Wohnung „Parkplätze“ definieren, Einkaufsmanipulationen widerstehen, Aufgaben sofort erledigen und nicht auf die lange Bank schieben, ungeliebte Geschenke nicht endlos konservieren und bei allen Gegenständen nur das Beste behalten. Denn Weniger sei immer Mehr.

Die Altersvorsorge beschäftigt viele Graue Panther

von Gundi Klemm – AZ – 19.5.2017

Wie lebt es sich im Alter?

Obwohl jetzige Rentenbezüger von Änderungen ihrer Bezüge nicht betroffen sind, aber auch keine Zuwendungen durch die Vorsorge-Reform erhalten, interessierten sich die Grauen Panther für deren Auswirkungen.
Zu gut erinnerten sich die Grauen Panther an das lange Tauziehen um die Altersvorsorge-Reform in beiden Kammern des Parlaments, bis – krimireif – am 17. März dieses Jahres mit 101:100 Stimmen ein äusserst knapper Konsens für die Urnenabstimmung am 24. 9. errungen wurde.
Zu Referaten über Pro und Kontra Reform Altersvorsorge 2020 hatte die Vereinigung die beiden Nationalräte Bea Heim und Walter Wobmann eingeladen. Moderiert wurde das Gespräch mit Fragen aus der Zuhörerschaft durch die ehemalige Nationalrätin Miguel Marguerite Misteli, die den Verfassungsauftrag eines «Altern in Würde» in der Stossrichtung der Reform unterstrich. Dieser Anspruch sei jetzt für etliche Betagte nicht erfüllt.

Einkaufstasche für 30 Rappen
Bea Heim, die in vorberatenden parlamentarischen Kommissionen intensiv das gesamte Alterssicherungssystem bearbeitet hatte, gab einen Überblick über die dreistufige Alterssicherung und deren angestrebte Verbesserungen. Die erste Säule AHV (eingeführt 1948) nebst IV – solidarisch von allen finanziert – dient der Existenzsicherung, die 2. Säule umfasst die seit 1985 obligatorische berufliche Vorsorge, in der jeder Erwerbstätige mit einem Einkommen zwischen 20’000 bis 85’000 Franken mit Arbeitgeberbeiträgen allein spart.
Höhere Gehälter fallen ins sogenannte Überobligatorium. Die 3. Säule bildet die private Vorsorge als Teil der Versicherungswirtschaft. «Die Altersvorsorge soll wieder zu einem ausgewogenen Paket werden, weil die AHV hinter der Entwicklung der Lebenshaltungskosten herhinkt und nur bei einem Ja der Bevölkerung die sich abzeichnende Finanzierungslücke bis 2030 schliessen kann», unterstrich Heim.
Die von Wobmann später ins Feld geführten Defizite von jetzt bereits 1 Mrd. Franken im AHV-Fonds widerlegte Heim mit den ausgeglichenen Rechnungsresultaten der beiden letzten Jahre. Sie erläuterte die für die Zukunft in zähen Verhandlungen getroffenen Massnahmen wie die ab 2021 wirksame Anhebung der Mehrwertsteuer um 0.3 Prozent. «Bei einem Einkauf für 100 Franken entspricht dies der Papier-Einkaufstasche für 30 Rappen», verdeutlichte Heim diesen Betrag. Durch zinsbedingte Senkung des Umwandlungssatzes in der 2. Säule von 6,8 auf 6 Prozent drohen auch hier 12-prozentige Einkommensverluste.
Die nun sollen durch die mittels Lohnbeiträgen finanzierte Zahlung von monatlich 70 Franken an die künftigen AHV-Neurentner, befristet für die Gruppe der jetzt 45- bis 65-Jährigen, ausgeglichen werden. Ab 2021 soll das Rentenalter für Frauen auf 65 Jahre angehoben werden. «Dies ist aber nur zu akzeptieren, wenn auch endlich Frauen- und Männerarbeit gleich honoriert wird», meinte dazu eine Graue Pantherin.

Nicht begeistert
Die Nationalrätin ging auf die in der Reform enthaltenen Planungen wie Flexibilisierung von Altersrücktritt und gleitender Pensionierung wie auch der Rentenansprüche bei Stellenverlust im Alter ein. Nicht begeistert zeigte sie sich vom Verhandlungskonzept der «Bürgerlichen», die eine Schwächung der AHV zugunsten des durch privates Sparen begünstigten Versicherungsprofits anstrebten.

Unzufriedene Panther
Walter Wobmann bestätigte ebenso die Bedeutung der Altersvorsorge als wichtiges Sozialwerk. Zu deren Sicherung legte er aus Sicht der Gegner den Finger auf falsche Punkte. «Ich bin gegen die Erhöhung der AHV um 70 Franken, die zusätzlich die 1. Säule mit 1.3 Mrd. Franken belastet. Und die Mehrwertsteuererhöhung lehne ich ebenfalls ab, weil damit die Arbeitskosten hierzulande steigen.» Grundsätzlich sei das Problem damit nicht gelöst, befand er, denn das gesamte Paket, das dann die nächste Generation tragen müsse, koste 4.8 Mrd. Franken, die aus seiner Sicht nicht finanzierbar seien.
Zu verschiedensten Punkten äusserte sich das Graue-Panther-Plenum zustimmend oder ablehnend. Mit der Renten-Reform allein sei es keineswegs getan, meinte ein Anwesender. Dringend gebremst werden, weil für Senioren mit schmalem Einkommen nicht mehr bezahlbar, müssten die Krankenkassenprämien und die Mieten insbesondere nach «Teuer-Renovierungen» der Wohnungen.

24. GV der Grauen Panther Solothurn, März 2017

24. Generalversammlung der Grauen Panther mit vielfältigen Informationen

Von Gundi Klemm, Solothurner Zeitung

Den wichtigsten Geschäftsteil der von rund 90 Vereinsmitgliedern besuchten Generalversammlung bildete die vorgestellte Auswertung einer „Chropfläärete“– Zusammenkunft anfangs Januar. Hartwig Roth, zugleich Finanzverantwortlicher im 311 Angehörige umfassenden Verein, hatte gemeinsam mit dem Vorstand geäusserte Wünsche und Kritik zu vier Themenkreisen übersichtlich analysiert. Er erläuterte Programm- und Angebotsvielfalt der Vereinigung, bei der Vernetzung und vielleicht sogar mehr Kooperation mit anderen Organisationen angeregt wurde. Beibehalten werden sollen die im zwei-Wochen-Turnus durchgeführten Anlässe, die sich weiterhin neben dem beliebten Spielen und Wandern vielfältigen Themen aus Politik und Gesellschaft widmen. Die mit viel Beifall wiedergewählte Präsidentin Silvia Wälchli machte im Sinn möglicher Angebotserweiterung  auf bevorstehende Veranstaltungen aufmerksam wie etwa die Teilnahme der Grauen Panther bei der Durchführung von „Platz da“, an der sich am 19. Mai Junge und Junggebliebene am frühen Abend zum gemeinsamen Spiel auf dem Kronenplatz treffen. Am 16. Mai geht es um Informationen zur Rentenreform, über die bekanntlich im Herbst abgestimmt wird. Zum wichtigen Jahresthema wird aber die Rentenbesteuerung. Vorstandsmitglied Miguel Misteli zeigte an Zahlen auf, dass die Besteuerung insbesondere für Rentnerpaare seit 1994 in Solothurn um 116 Prozent gestiegen sei. Um für den Abbau dieser doch erheblichen Belastung Gehör zu finden, soll eine Arbeitsgruppe unter Beteiligung von Pro Senectute gegründet werden mit dem Ziel, diverse Aktionen bis hin zur Volksinitiative zu entwickeln. Aus der Mitte der Versammlung meinte eine Pantherin kämpferisch, unter diesem Fokus müsse man die bevorstehende Wahl in den Regierungsrat besonders sorgfältig treffen.

Beitragserhöhung

Um für diese zahlreichen, stets gut besuchten Aktivitäten auch über die nötigen Finanzen zu verfügen, beschloss die Versammlung einstimmig, die Mitgliederbeiträge leicht anzuheben. Einzelmitglieder zahlen jährlich statt bisher 30.- jetzt 40 Franken. Paare entrichten nun 60.- statt 40 Franken. Und Institutionen fördern die Vereinigung neu mit 75 (vorher 50.-) Franken. Das ergibt Mehreinnahmen von rund 3000 Franken, die dem Budget wieder zu „schwarzen Zahlen“ verhelfen. Denn die letzten Jahresabschlüsse wiesen Verluste um jeweils 2000 Franken auf, die laut Roth das Eigenkapital von aktuell 16 400 Franken in Kürze aufgezehrt hätten. Da die Grauen Panther zu ihren Vorträgen und Diskussionen immer auch Aussenstehende einladen und dies als wichtige Dienstleistung an der Oeffentlichkeit erachten, sollen Besuchende auf eine Spende fürs „Anlasskässeli“ aufmerksam gemacht werden. „Wir unternehmen viel für ältere Mitbürgerinnen und –bürger. Deshalb sollten wir bei der Stadt Solothurn vorstellig werden und um eine Unterstützung bitten“, riet Anna Stadelmann, um die Vereinsfinanzen in der Balance zu halten.

Zahlreiche Verabschiedungen

Bedauert wurde die Demission von Fidel Grüninger aus dem Vorstand. Er bleibt allerdings Mitglied im städtischen Seniorenrat. Statt der sehr beliebten Französisch-Lehrerin Annelies Kradolfer wird künftig Verena Wälti am Freitagmorgen im Baseltor zur frankophonen Konversation einladen. Statt Doris Schumacher vertritt Miguel Misteli die Belange der Grauen Panther in der Dachorganisation VASOS. Die bisherige Spielchefin Li Sägesser legt ihr Amt in die Hände von Susi Wanner. Mit liebevollen Worten unter dem Leitsatz „Leben, Lieben und Verzeihen“ gedachte Fidel Grüninger der neun, im  letzten Jahr verstorbenen Vereinsmitglieder.

Viel ehrenamtliche Arbeit

Die Gestaltung des Jahresprogramms mit interessanten Themen und Referenten, die Vertretung der Institution und ihrer Mitglieder auf allen Ebenen ist, wie Vizepräsidentin Irène Privé temperamentvoll ausführte, mit Engagement und Zeitaufwand verbunden. Deshalb bestätigte die Versammlung neben Präsidium und Vize alle übrigen Vorstandmitglieder (Anna Hartmann, Miguel Misteli, Rosemarie Ledermann, Hans Rüd, Susi Wanner, Otto Naef und Hartwig Roth) mit herzlichem Dank. Der frühere Präsident Hans Christen lobte die umsichtige Vereinsführung. Aus dem städtischen Sozialwesen hiess es im Grusswort von Domenika Senti: „Ihr Grauen Panther seid wichtiger denn je“. Mit Musik von Fritz Geissberger ging der Nachmittag im Alten Spital gesellig weiter.

Hey, Alter !

in Artikel aus der Broschüre „PROINFO“, Wissenswertes über die Stadt Solothurn, 13. Jahrgang 2017 – 25 Jahre Verlag PROINFO

„Hey, Alter!“, ist eine beliebte Begrüssung unter Jungen, die man bei jeder Gelegenheit hören kann. Eigentlich eine sonderbare Anredeform, wenn man in Betracht zieht, dass in der heutigen Zeit die „ewige Jugend“ ein durchaus erstrebenswertes Ziel für viele darstellt. „Hey, ewig Junger!“, wäre als Formel wohl einiges aktueller und schmeichelhafter. 

Doch die Jungen grüssen mit: „Hey, Alter!“ und verstehen diese Bezeichnung durchaus nicht despektierlich, denn „alt“ wird hier nicht mit gebrechlich oder veraltet gleichgesetzt. Dem Phänomen „Alter“ rechnen die Jungen die Stärken der Erfahrung, Unaufgeregtheit – jugendsprachlich: Coolness – und Übersicht zu. „Hey, Alter!“ ist somit eigentlich ein Ehrentitel.

Wir Älteren können uns ja daran erinnern, dass man sich in jungen Jahren gern einmal etwas älter gegeben hätte. Nicht nur beim Kinoeintritt ab 16 Jahren hat man als Heranwachsender eine beschleunigte Alterung herbeigesehnt; nein, auch bei der Bewältigung grosser Lebensfragen wäre man gern etwas reifer gewesen, obwohl man das nie zugegeben hätte. Ein Wunschzustand, den man Jahre später mit Blick auf die eigene Jugend mit einem Schmunzeln quittiert.

Ein Wunschzustand, der nach einigen Jahren der sichtbaren Alterung regelmässig in die Gegenrichtung umkippt: „Oh, wie war das früher noch ganz anders, als ich noch jung war!“ „Ja, was haben wir nicht alles angestellt, als wir noch jung waren!“ Eine grosse Portion Wehmut durchtränkt den verklärten Blick zurück und kumuliert nicht selten in die unverschämteste aller Behauptungen: „Früher war alles besser!“

„Früher war alles besser!“, diese haltlose Floskel bekommt man tagtäglich zu hören. Eine unbedachte Aussage, die jeden Jahreswechsel zu einem Horrorszenario verkommen lässt. Was kann mir die Zukunft schon Erstrebenswertes bringen, wenn früher doch alles besser war. Dieser ewige Blick zurück, der die Gegenwart und erst recht die Zukunft ohne angemessene Beachtung verkümmern lässt. Ein Statement, das anzeigt, dass man nicht alt sondern veraltet ist und nun wirklich zum alten Eisen gehört. Eine Bankrotterklärung, bei der jegliche Vorteile des Alters verspielt werden.   

„Hey, Alter!“ ist eine Begrüssung, die im Kreis der „Grauen Panther“ seine Berechtigung hätte, obwohl man sich dort mit unterschiedlichsten Aktivitäten jung hält. Ein Verein, in dem sich seit 1993 reifere Menschen aus der Region Solothurn einmal in der Woche treffen. Die „Grauen Panther“ zählen über 300 Mitglieder und veranstalten Vorträge, Besichtigungen, Spielnachmittage, Wanderungen und andere Projekte. Die Floskel: „Früher war alles besser“ hat bei den „Grauen Panthern“ keine Chance zum offiziellen Motto zu werden. Der Blick ist in dieser Non-Profit-Organisation nicht rückwärts gerichtet und Nostalgie gehört nicht zum offiziellen Vereinsprogramm. Die Gegenwart zählt und auch der Zukunft wird ein hoffnungsvoller Blick geschenkt.

Das Altern ist ein gesellschaftliches Thema. Gegen den Alterungsprozess werden unzählige Salben, Pillen und Ernährungstricks angeboten. In den vergangenen Jahren hat sich eine richtige „Anti-Aging-Industrie“ etabliert, mit der Milliarden an Umsatz generiert werden. Mit allen möglichen Hilfsmitteln möchte man dem Altern ein Bein stellen, doch die Verführten kommen dabei unweigerlich selbst zu Fall. Ein künstlicher Alterungsstopp oder gar eine Verjüngung ist eine der grossen Illusionen unserer Zeit. Wer sich die ewige Jugend erschleichen will, der sieht plötzlich ziemlich alt aus, denn die erwünschte „ewige Jugend“ kann man treffender als „ewige Naivität“ bezeichnen.

Alt und ausrangiert will jedoch niemand sein. Ein Wundermittelchen gibt es dagegen und die „Grauen Panther“ machen rege Gebrauch davon: Der gegenseitige Austausch, das Knüpfen eines sozialen Netzwerkes, erhalten die Mitglieder aktiv und lebensfreudig. Zusammen geniessen können, zusammen ins Gespräch kommen und auch einmal verschiedene Meinungen debattieren, das ist ein Lebenselixier sondergleichen. „Hey, Alter!“ wird dabei unweigerlich zu einem Ehrentitel, weil er neben Erfahrung und Realitätssinn auch die grundlegende Stärke verrät, sich richtig einzuschätzen und sein Potential optimal zu nutzen.

Reto Stampfli                                                                                                           7.1.2016

Kriegschirurgie mit dem IKRK in Zentralafrika

Der Chirurg Andreas Allemannn berichtet über seine Arbeit in Kriesengebieten.

 von Gundi Klemm  Schon als jungen Mann haben Leben und Aussagen von Albert Schweitzer den heute 51-jährigen Solothurner Mediziner Andreas Allemann geprägt. Angesichts des weltumspannenden Leids sagte der Gründer des bekannten Urwaldspitals in Lambarene dem Sinn nach: «Die ganze Welt ist nicht veränderbar, aber jeder von uns kann einzelnen Menschen etwas Gutes tun». Nach der Matura 1983 in Basel habe er sich, so Allemann, fürs Medizinstudium entschieden, habe so häufig wie möglich Reisen in Länder der Dritten Welt unternommen und wesentliche Orientierung auch durch seine Frau Susanne erfahren, berichtete er am Vortragsnachmittag der Grauen Panther. Sie wuchs nämlich in Ghana als Kind eines britischen Entwicklungshelferpaars auf und bestärkte ihn in seinem Engagement. Nach Staatsexamen und Facharztausbildung übernahm Allemann für zwei Jahre bis 2004 die chirurgische Leitung des Albert-Schweitzer-Hospitals in Haiti. Hier habe er sich neben seiner Fachdisziplin dem gesamten Spektrum medizinischer Leistungen widmen können. Dorthin mitgereist für die Dauer des Aufenthaltes waren seine Frau und seine drei Kinder. Danach gründete er gemeinsam mit zwei Kollegen die seither bestehende Praxis in Solothurn.

«Ehrfurcht vor dem Leben» Das Wirken des grossen Elsässers Schweitzer, der die «Ehrfurcht vor dem Leben» zum Leitgedanken seines Handelns machte, habe ihn nachhaltig beeinflusst. Er weigere sich, die zum Teil verheerende medizinische Versorgung in Entwicklungsländern so einfach hinzunehmen, besonders dann, wenn Unruhen und Bürgerkriege die dortigen Menschen zusätzlich belasten. Schon 2004 besuchte er deshalb einen vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) veranstalteten Kurs über «Kriegschirurgie». Studienreisen in den Tschad und nach Ghana bestärkten ihn in seinem Vorhaben, Hilfe zu leisten. Seit 2014 gehört er dem Chirurgen-Pool des IKRK an, das gegenwärtig sechs chirurgische Grosseinsätze im Kongo, Südsudan, Mali, Libanon, Afghanistan und in der Zentralafrikanischen Republik aufwendig organisiert. Allemann erläuterte seinem Publikum die politische Lage und die Lebensbedingungen dieses 4,5 Mio. Menschen zählenden Landes im Herzen von Afrika. Nach der überstürzt vollzogenen Unabhängigkeit von Frankreich im Jahre 1958 wurde das siebtärmste Land der Welt immer wieder durch Bürgerkriege erschüttert.

Ein Land im Chaos

Diktatoren wie der berüchtigte Bokassa kamen im Land an die Macht, das durch zahlreiche Putsche erschüttert wurde. Man könne sich ernsthaft fragen, ob angesichts des überhaupt nicht funktionierendes Staates ein Verbleiben unter kolonialen Strukturen dem heute von internationalen Friedenstruppen unterstützten Land nicht besser getan hätte, meinte der Mediziner vorsichtig. Da es tagtäglich in der an den Kongo grenzenden Zentralafrikanischen Republik zu Unruhen und Kampfhandlungen komme, sei gerade die Chirurgie für die vielen Schwerverletzten eine lebensrettende Massnahme. Für seinen Stützpunkt im Spital der Hauptstadt Bangui hat das IKRK die gesamte medizinische Ausrüstung eingeflogen und ist bemüht, die hygienischen Standards durchzusetzen. Allemann schilderte nach seinem vierwöchigen Einsatz zu Jahresende 2014 anschaulich, wie Arbeitsbedingungen, Leben und Sicherheitskonzept des dortigen ausländischen Teams im Auftrag des IKRK aussehen. Fotos zeigten, welche gewaltigen Aufgaben und welche Patientenschicksale täglich im Operationssaal warten.

Immer wieder beeindruckt

Bei Nachfragen interessierten die Grauen Panther die Gründe für den schlechten Zustand des Landes, dessen reiche Diamantenförderung beispielsweise von Händlerkartellen ausser Landes gebracht wird. «Trotz ihrer eigentlich verzweifelten Situation, die mich immer wieder betroffen macht, sind die dortigen Menschen von einem besonderen Willen beseelt, jeden Tag für ihre Familie und sich irgendwie zu bewältigen », unterstrich Andreas Allemann deren Lebensmut. Wenn es mit seiner eigenen Praxis vereinbar ist, will er sich 2016 wieder in einen Einsatz delegieren lassen.

az Solothurn, 18.05.2015