Wie ältere Semester mit den „gewonnenen Jahren“ einer längeren Lebenserwartung umgehen könnten, zeigte ein Referat vor den Grauen Panthern Solothurn auf.
von GUNDI KLEMM
Bis zur Umsetzung der AHV 1948 und auch noch darüber hinaus waren
betagte Menschen, wenn sie nicht mehr arbeiten konnten, überwiegend
materiell abhängig von der nachfolgenden, jüngeren Generation.
Referentin Heidi Witzig, Historikerin und
Buchautorin aus Winterthur, zeichnete ein Bild dieser Zeit, die viele
Mitglieder der Grauen Panther – in den fünfziger Jahren noch junge Leute
– gut in Erinnerung haben. Menschen im Lebensabend galten – mit wenigen
Ausnahmen – nicht mehr viel in der tätigen Gesellschaft. «Wenn du alt
bist, dann gib Ruhe», wurde selbstverständlich erwartet.
Dennoch gibt es Probleme
Die
durchschnittliche Lebenserwartung bei Männern lag seinerzeit bei 67
Jahren, was nach der Pensionierung mit 65 Jahren einen kurzen Ruhestand
bedeutete. Seither haben sich die Verhältnisse gewaltig geändert. Die
Lebenserwartung ist für beide Geschlechter und insbesondere für Frauen
deutlich angestiegen. Inzwischen haben sich zum Glück auch die
Rahmenbedingungen nachhaltig verändert. Die «best» oder «golden agers»
sind mehrheitlich monetär gut ausgestattet und höchst attraktiv für die
Wirtschaft, wie Heidi Witzig temperamentvoll ihrer grossen Zuhörerschaft
an Beispielen vor Augen führte. Ein Drittel der Pensionierten lebt von
der AHV und beantragt deshalb Ergänzungs-leistungen, ein Drittel sei
dank zusätzlicher Pensionskasse gut gestellt, und ein Drittel dürfe sich
an viel Vermögen freuen, bezifferte die Referentin die finanzielle
Ausstattung. Aber Probleme gebe es dennoch, sagte Witzig mit Blick auf
«Zwei-Klassen-Medizin» und Entwicklung der Pflegekosten. «Mischen Sie
sich deshalb in die Diskussion ein und wehren Sie sich gegen
Zumutungen.»
Das Grossmütter-Manifest
Die
Stellung der Frau verbesserte sich seit den 1970er-Jahren. Die
Rollenverteilung in der Familie hat sich vorteilhaft verändert und
billigt längst auch älteren Frauen Teilhabe an der Gesellschaft zu.
Frühere Altersleitbilder entsprechen heutigen Lebensgewohnheiten nicht
mehr. «Heute jedoch ist aktives Altern und Solidarität zwischen den
Generationen gefordert», fasste Heidi Witzig die aktuelle Stossrichtung
zusammen. Bei den jungen Alten werde sogar «eine Verpflichtung zu
gemeinnützigen Einsätzen» postuliert. Eine lose Bewegung von rund 200
Frauen im Pensionsalter, darunter zahlreiche ehemalige Politikerinnen,
trifft sich laut Referentin in regelmässigen Abständen, um über
Altersbilder und über einen gemäss Manifest «gemeinsamen Aufbruch zu
einem Alter in Würde und Freude» nachzudenken. Man müsse der
Öffentlichkeit bewusst machen, wie ältere Menschen behandelt werden
möchten. Individuell wolle man selbst definieren, wie man sich als
Seniorin in die Gesellschaft einbringen und was man anbieten wolle: etwa
Betreuung von Kindern, Enkeln und Angehörigen oder die gegenseitige
Unterstützung alternder Frauen.
Grossmütter als Revoluzzer
Denn
nicht alle bleiben bis ins hohe Alter gesund und leistungsfähig. Die
«Grossmuetterrevolution» (s. Internet) mit Treffpunkt Zürich und
Ablegern in der Romandie und im Tessin, die übrigens Förderung aus dem
Migros-Kulturprozent erhält, möchte mit einer Zukunftskonferenz eine
soziale und politische Diskussion anstossen, damit Frauen ihr
Älterwerden nach eigenen Wünschen gestalten und sich rechtzeitig mit
geeigneten Wohn- und Betreuungsformen auseinandersetzen können.
Panther-Präsident Hans Christen nahm dies als Anregung auf, um demnächst
in Gesprächskreisen Fragen zur letzten Lebensspanne zu erörtern. In der
anschliessenden Aussprache hiess es, dass die oftmals mit Scham
besetzte Beantragung von Ergänzungsleistungen vereinfacht werden sollte,
da das jeweilige Einkommen der Steuerbehörde sowieso bekannt sei.
© Solothurner Zeitung ¦ Ausgabe vom 08. März 2012